Eine Stadt feiert: Vor 750 Jahren, am 30. Mai 1274, erhielt die Stadt Landau aus den Händen des damaligen Königs Rudolf I. die Rechte einer Stadt. Ein ungemein wichtiger Meilenstein, den das Landauer Stadtarchiv zum Anlass für eine historische Zeitreise nimmt. Stadtarchivarin Christine Kohl-Langer und ihre Mitarbeitenden stellen jede Woche eine von insgesamt 52 Biografien von Landauerinnen und Landauern vor und werfen so spannende Schlaglichter auf 750 Jahre Stadtgeschichte, vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Heute: Franz Xaver Gabelsberger.
Sie ist eine aussterbende Zunft, aber in deutschen Parlamenten noch immer unverzichtbar - die Stenografie. Ungefähr 100 Stenografen protokollieren heute noch jede Parlamentssitzung in Deutschland und vermögen das gesprochene Wort in Echtzeit buchstabengetreu mitzuschreiben. Und der Münchner Franz Xaver Gabelsberger veröffentlichte 1834 ein deutsches Kurzschriftsystem, das im 19. Jahrhundert vor allem in den Parlamenten, Gerichtssälen und in den Verwaltungen genutzt wurde.
Als 1833 die Initiatoren des Hambacher Festes, Siebenpfeiffer und Wirth und weitere sieben „Hambacher“, hier in der bayerischen Garnisons- und Festungsstadt vor Gericht standen, reiste der bayerische Staatsdiener in die pfälzische Provinz, um sein „Geschwindschreibverfahren“, zum ersten Mal bei einem großen politischen Gerichtsprozess einzusetzen und Denn es war ja nicht irgendein Prozess: Unter strengen Auflagen tagte ein außerordentliches Geschworenengericht vom 29. Juli bis zum 16. August 1833 im Hotel Schwan. Die Delinquenten wurden beschuldigt, das Volk zum Umsturz und zur Bewaffnung gegen die Staatsgewalt aufgefordert zu haben. Siebenpfeiffer und Co. hatten vor Tausenden Demonstranten vor allem die nationale Einheit, die Forderung nach Freiheit und freier Meinungsäußerung und „die Beseitigung der Fürstenherrschaft“ gefordert. Dies konnte die bayerische Staatsregierung keineswegs dulden, sie setzte auf drastische Unterdrückungsmaßnahmen: ein Armeekorps von 8.500 Mann wurde in die Pfalz verlegt, politische Vereine und Versammlungen wurden verboten. Der Landauer Prozess wurde zu einem Medienspektakel, das nicht nur in der Region atemlos verfolgt wurde. Dank des Gabelsberger Wortprotokolls konnten die in Landau gedruckten „Tags-Neuigkeiten“ die Leserschaft auf dem Laufenden halten, allerdings nur mit zensierten Artikeln.
Der Prozess endete für die bayerische Regierung unerwartet mit Freisprüchen. Wirth und Siebenpfeiffer wurden dennoch später wegen Beamtenbeleidigung zu Haftstrafen verurteilt und emigrierten.
Gabelsberger war inzwischen zum Ministerialsekretär aufgestiegen, bekam von der Akademie der Wissenschaften in München bescheinigt, dass sein System „durchaus originell und bei hinreichender Kürze geläufiger, zuverlässiger und lesbarer als jede frühere Kurzschrift anzusehen“ sei. Sein System fand bis ins 20. Jahrhundert weite Verbreitung, bis es von der Deutschen Einheitskurzschrift abgelöst wurde.