Eine Stadt feiert: Vor 750 Jahren, am 30. Mai 1274, erhielt die Stadt Landau aus den Händen des damaligen Königs Rudolf I. die Rechte einer Stadt. Ein ungemein wichtiger Meilenstein, den das Landauer Stadtarchiv zum Anlass für eine historische Zeitreise nimmt. Stadtarchivarin Christine Kohl-Langer und ihre Mitarbeitenden stellen jede Woche eine von insgesamt 52 Biografien von Landauerinnen und Landauern vor und werfen so spannende Schlaglichter auf 750 Jahre Stadtgeschichte, vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Heute: die Witwe Hans Voltz.
Wir kennen ihren Namen nicht, im städtischen Schriftgut wird sie einfach als „Witwe Hans Voltz“ bezeichnet. Ein bekanntes Phänomen, denn Frauen bleiben im städtischen Schriftgut oft namenlos. Ihr Ehemann Hans Voltz war Schulmeister der deutschen Schule in Landau und seit 1580 zunehmend in der Stadt ungelitten. Offenbar hatte er unter Alkoholeinfluss „Schmeh“, öffentliche Beleidigungen, ausgestoßen, wofür er vom Rat der Stadt verwarnt wurde. Fünf Jahre später kam es dann endgültig zum Bruch, Hans Voltz wurde „zum Exempel zu acht Tagen in den alten Kefficht“ verbannt, im gleichen Jahr reichte er dann seinen Abschied ein und starb wenige Monate danach. Zurück ließ er seine Frau, die nun selbst beim Rat der Stadt um eine Genehmigung zur Führung einer „madlinschule“ bat. Zu Beginn des Jahres 1589 erlaubte nun der Landauer Stadtrat, dass sie „ohngevehrlich uff die 10 oder 12 Meidlein“ unterrichten durfte. Vor allem Carl Dornmeier, der Nachfolger auf dem Posten des Schulmeisters, widersprach jedoch heftig, fürchtete er doch die Konkurrenz der umtriebigen Witwe, die auch die Erlangung ihrer Landauer Bürgerechte vehement einklagt hatte. Für die Reformatoren war die weltliche und religiöse Erziehung äußerst wichtig. Überall in Europa entstanden im Gefolge der Reformation neben dem Katechismusunterricht neue allgemeinbildende Schulen. Das Erziehungsprogramm der Reformation beruhte auf der Lektüre der Bibel, die den Glauben stärken und die Überprüfung von Glaubensartikeln ermöglichen soll. Dieses Programm erklärt sich aus der Lehre vom Allgemeinen Priesteramt: jeder Christ soll unter alleiniger Berufung auf die Bibel nach Kräften die Wahrheit des Evangeliums verkünden. Hier sollten die Kinder aus dem einfachen Volk in den Grundsätzen des Lesens und Schreibens, sowie des Glaubens lernen. Die Schulen wurden nun von den Städten und nicht mehr von der Kirche betrieben. Der Witwe Hans Voltz war leider kein längerfristiger Erfolg gegönnt. Nur wenige Jahre später musste sie ihre Schule endgültig aufgeben. Johann zu Glocken, der Nachfolger von Carl Dornmeier, konnte der weiblichen Konkurrenz erfolgreich vom Rat der Stadt kündigen lassen. Erst im 19. Jahrhundert wird dann die Schulbildung für die Landauer Mädchen wieder in Fokus rücken.