Eine Stadt feiert: Vor 750 Jahren, am 30. Mai 1274, erhielt die Stadt Landau aus den Händen des damaligen Königs Rudolf I. die Rechte einer Stadt. Ein ungemein wichtiger Meilenstein, den das Landauer Stadtarchiv zum Anlass für eine historische Zeitreise nimmt. Stadtarchivarin Christine Kohl-Langer und ihre Mitarbeitenden stellen jede Woche eine von insgesamt 52 Biografien von Landauerinnen und Landauern vor und werfen so spannende Schlaglichter auf 750 Jahre Stadtgeschichte, vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Heute: der Auftakt mit der "Geburtsurkunde".
Eine Stadt feiert! In diesem Jahr werden wir einen juristischen Akt würdigen, der 750 Jahre zurückliegt, der in lateinischer Sprache den meisten nur in einer Übersetzung verständlich ist und der dennoch für uns Landauerinnen und Landauer identitätsstiftend ist: Wir leben seit Jahrhunderten in einem urbanen Umfeld, das auf die Region in all seinen Konsequenzen ausstrahlt. Und wohl auch in Zukunft als Mittelzentrum in der Region von Belang sein wird.
Am 30. Mai 1274 verlieh Rudolf von Habsburg der Ansiedlung an der Queich, die seit einigen Jahren städtische Strukturen aufweisen konnte, die Stadtrechte. Was für ein Tag! Und dabei für die damalige Zeit nicht besonderes. Mit diesem zentralen Herrschaftsinstrument wurden auch andere Ortschaften, wie Germersheim, sogar Godramstein und Bergzabern, um nur eine kleine regionale Auswahl zu nennen, zwischen 1276 und 1286 von dem Habsburger privilegiert.
Rudolf war, wie häufig, nicht selbst vor Ort, sondern in Haguenau, unserer seit vielen Jahrhunderten verbundenen Partnerstadt im Elsass. Und deren Stadtrechte verlieh er dem „Oppidum“ seines Neffen Emich IV. von Leiningen. Alles andere als spektakulär, sondern Alltagsgeschäft eines Königs, der damit strategisch den Ausbau seiner politischen und wirtschaftlichen Macht plante.
Die Urkunde existiert nicht mehr, sie ging bei der Belagerung während der Französischen Revolution 1793, wie anderes Schriftgut aus dem Mittelalter, verloren. In unserem Archiv kennen wir zwei Abschriften dieser Urkunden in sogenannten Kopialbüchern. Die älteste Abschrift stammt aus dem frühen 16. Jahrhundert, zu lesen im „Großen Ratsbuch“ der Stadt, ein Foliant mit Holzdeckel und Beschlägen aus Metall, der auch im Museum für Stadtgeschichte gezeigt wird.
Von zentraler Bedeutung war die Verleihung des Marktrechtes. Für das Wirtschaftsleben hatten diese nun wöchentlich, immer mittwochs, stattfindenden Marktangelegenheiten eine große Bedeutung. Die Lage, die Funktion als Umschlagplatz, Art und Menge der zum Markt gebrachten und umgesetzten Waren, der rechtliche Schutz der Marktbezieher und der Betrieb des Marktverkehrs gehörten zum Erwerbsleben der Bewohner einer Stadt. Der wöchentliche Markt war über viele Jahrhunderte hinweg mit seinen Einrichtungen der Mittelpunkt der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens in Landau und der Umgebung. Die verliehenen Stadtrechte von Haguenau, die nun auch in Landau galten, werden nicht explizit genannt, sind jedoch sehr vielfältig. Zentrale Kennzeichen einer mittelalterlichen Urbanität in des „Landes Aue“ waren neben dem Marktrecht, die schützende Befestigung, die städtische Verfassung mit einer funktionierenden Verwaltung und die städtische Gerichtsbarkeit, die nun durch die Privilegierung bestätigt und ausgebaut werden konnten. 1291 erneuerte Rudolf von Habsburg die Privilegierung, übrigens wieder in Haguenau, und er bestätigte nun unserer Stadt die Rechte und Freiheiten einer Reichsstadt.
Und Landau nahm einen rasanten Aufschwung. Der Markt regte Handel und Verkehr an und förderte nicht zuletzt auch die Ausbildung und Entfaltung des mit dem Kleinhandel eng verbundenen Handwerks und Gewerbes. Marktgeschehen und der Marktplatz, im Mittelalter um die Stiftskirche in enger Nachbarschaft zum mittelalterlichen Rathaus und der Engel-Apotheke, bildeten während des gesamten Mittelalters hindurch, das Zentrum städtischen Lebens. Der Umfang der Stadt ist uns allerdings weitgehend unbekannt, wahrscheinlich glichen die Umrisse einem Rechteck, begrenzt im Westen von der Waffenstraße, im Norden von der Kramstraße, im Osten von der heutigen Weißquartierstraße und im Süden von der Reiterstraße. Wie bei jedem Wandel, jeder Veränderung gab es aber auch Verlierer: Die umliegenden Dörfer Eutzingen, Mühlhausen, Oberbornheim und Servelingen konnten nicht Schritt halten, sie sind uns heute nur noch in Form von Hinweisen bekannt.
52 Landauer Leute oder Personen, die die Stadtentwicklung entscheidend beeinflussten, werden Sie in diesem Jahr jeden Mittwoch auf einer historischen Zeitreise begleiten. Es werden uns Bekannte begegnen, aber auch bislang ungenannte Männer und Frauen werden erzählen, wie es sich in einer Stadtgesellschaft lebte, die in der Region immer eine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zentrumsfunktion innehatte. Und warum mittwochs? Ganz einfach: Der 30. Mai 1274 war ein Mittwoch!