Gerhard Blumer ist ein echtes Urgestein der Stadtverwaltung Landau. Seit 1975 ist er im Dienst der Stadt, arbeitete in der Verwaltung des ehemaligen städtischen Schlachthofs, war federführend am Aufbau der Zooschule beteiligt und ist inzwischen seit mehr als 27 Jahren der Verwalter der städtischen Friedhöfe. Mit unserer Redakteurin Lena Wind hat er darüber gesprochen, warum ihm sein Job auch nach all den Jahren nicht langweilig wird, welche Besonderheiten es auf den Landauer Friedhöfen zu entdecken gibt und wie er dem Thema Tod begegnet.
Herr Blumer, Sie sind Friedhofsverwalter der Stadt Landau. Klingt, als hätten Sie einen ruhigen Arbeitsalltag.
Das täuscht. Als Friedhofsverwalter bin ich quasi der Manager des Friedhofs und kümmere mich um alle Belange eines reibungslosen Betriebsablaufs. Dazu zählen die Vergaben der Reinigungs- und Grünflächenpflege ebenso wie die marktorientierte Planung alternativer Bestattungsformen. Ich bin zuständig für die Projektsteuerung von Baumaßnahmen, die Kalkulation der Friedhofsgebühren und Betriebskosten sowie die Beratung der für die Stadtteilfriedhöfe zuständigen Ortsvorsteherinnen und Ortsvorsteher. Viel Kontakt zu den Lebenden habe ich außerdem bei der Verpachtung von Grabstätten, der Genehmigung von Grabmalen, bei Standsicherheitsprüfungen und bei der Erstellung von Gebührenbescheiden. Als Friedhofsverwalter bin ich auch bestellter Beauftragter des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge und trage die Verantwortung für 1.397 Kriegsgräber aus beiden Weltkriegen sowie für die jährliche Haus- und Straßensammlung im November.
Sie machen diesen Job seit 1994. Wie hat sich Ihre Arbeit in den Jahrzehnten seither verändert?
Was gleichgeblieben ist, ist, dass alle Verstorbenen beigesetzt werden müssen. Darum gehört übrigens auch die pietätvolle Beisetzung Verstorbener ohne Angehörige zu meinen Aufgaben. Aber das „Wie“ hat sich in den vergangenen Jahrzehnten doch deutlich gewandelt. Zu Beginn meiner Tätigkeit war es selbstverständlich, dass Beisetzungen vorzugsweise auf den örtlichen Friedhöfen wahlweise als Erd- oder Urnenbestattungen erfolgten. Auf den Landauer Friedhöfen gab es 2020 620 Beisetzungen, davon 85 Prozent in Urnen. Zum Vergleich: 1994 lag der Urnenanteil gerade mal bei 47 Prozent. Seitdem sind alternative Bestattungsformen sehr viel beliebter geworden. Waren es zuerst Friedwälder, die sich wachsender Beliebtheit erfreuten, zogen alsbald ausländische Angebote wie etwa Aschestreuwiesen aus den Niederlanden, Schweizer Alm- oder französische Luftbestattungen nach.
Welche Alternativen zur klassischen Sarg- oder Urnenbestattung gibt es denn heute bei uns in Landau?
Dem Trend zu pflegeleichten Grabstätten folgend haben wir in Zusammenarbeit mit der Friedhofsgärtnergenossenschaft 2012 den ersten Memoriamgarten in Rheinland-Pfalz geschaffen. Die dortigen Urnen- und Erdgräber sind Teil einer Parklandschaft, die von einer Friedhofsgärtnerei gepflegt wird. Speziell für Landauer Bürgerinnen und Bürger bieten wir auch Baumbestattungen an und auf den Stadtteilfriedhöfen entstanden Grabfelder für Naturbestattungen wie etwa der Friedweinberg in Wollmesheim oder der Urnenhain in Godramstein. Weitere Felder sind in Mörzheim und Nußdorf in Bau.
Seit Kurzem gibt es in Landau auch ein muslimisches Grabfeld.
Ja, das Grabfeld für die Bestattung nach muslimischem Ritus westlich des Hauptfriedhofes ist unser neuestes Angebot. Dort gibt es jetzt 64 Erd- und 12 Kindergräber für verstorbene Landauerinnen und Landauer islamischen Glaubens. Das Feld ist nach Mekka ausgerichtet und gestattet wahlweise Tuch- oder Sargbestattungen in unberührter Erde. Das bedeutet, dass auf diesem Gelände bisher keine Andersgläubigen bestattet sein durften. Weil wir zuerst zahlreiche Details mit den muslimischen Gemeinden klären und umfangreiche geohydrologische Gutachten zur Bodenbeschaffenheit anfertigen lassen mussten, sind zwischen erstem Impuls und Einweihung des Bestattungsfeldes rund zehn Jahren vergangen, aber inzwischen haben bereits die ersten Beisetzungen stattgefunden.
Die Landauer Friedhöfe sind stetig im Wandel. Allein der Landauer Hauptfriedhof in der Zweibrücker Straße hat rund 90.000 Quadratmeter und etwa 12.000 Gräber. Wie behalten Sie da den Überblick?
Das war anfangs wirklich nicht so einfach. Aber die Beschäftigung mit den alten Lageplänen im Zuge der Digitalisierung hat mir da ziemlich weitergeholfen und nach fast 30 Jahren hat man dann doch alle Ecken mal gesehen.
Wenn man in die verschiedenen Ecken der Landauer Friedhöfe schaut, welche Besonderheiten kann man da entdecken?
Jede Menge! Im alten Teil des Hauptfriedhofes findet man zum Beispiel rund 40 denkmalwürdige Sandsteingrabmale aus dem 19. Jahrhundert, die überwiegend dem Pfarrer und Bildhauer Würschmidt zugeschrieben werden. Außerdem ist die „Kreuzigungsgruppe“ zu bewundern, zwei spätgotische Madonnen und ein Sandsteinhochkreuz von 1818 – die Originale befinden sich übrigens im Stadtmuseum. Der relativ weiche Sandstein war durch Witterungseinflüsse und Immissionen derart dem Verfall preisgegeben, dass ich es mir als Friedhofsverwalter zur Aufgabe gemacht habe, künstlerisch wertvolle Grabmale der Nachwelt zu erhalten.
Wie machen Sie das?
Mit sogenannten Grabmalpatenschaften. Da wir als kostenrechnende Einrichtung keine Denkmalpflege finanzieren dürfen, bieten wir solche Grabmale Kunstinteressierten für spätere Bestattungen an. Im Gegenzug verpflichten sie sich auf eigene Rechnung und in Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde Restaurierungen vornehmen zu lassen. Auf diese Weise konnten schon mehr als 20 Gräber vor dem Verfall bewahrt werden.
Pflegepatenschaften gibt es auch für den Jüdischen Friedhof, oder?
Ja, aber die sind anders organisiert. Seit 2019 unterstützen uns Landauer Schülerinnen und Schüler bei der Säuberung der vielen alten Grabsteine auf dem 1845 angelegten Jüdischen Friedhof. Die Pflege erfolgt gemäß den Vorgaben der Landesregierung und in Abstimmung mit der jüdischen Kultusgemeinde Rheinpfalz.
Zu den besonderen Ecken zählt sicher auch der Französische Friedhof.
Unbedingt. Die Internationale Kriegsgräberstätte Landau in der Spitze zwischen Drachenfels- und Wollmesheimer Straße ist seit dem Jahr 2001 im Besitz der Stadt. Die Fläche war bis 1998 nach dem Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut der französischen Armee kostenlos zur Nutzung überlassen. Der kleine Friedhof wurde unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg für Gefallene ausländischer Streitkräfte von der damaligen französischen Besatzungsmacht angelegt. Die „Souvenir Français“, die französische Kriegsgräberfürsorge, verwandelte im Frühjahr 2001 mit erheblichem Aufwand das desolate Grabfeld zu einem Schmuckstück.
Liegen dort nur französische Staatsangehörige?
Nein, es wurden auch 248 Russen beigesetzt, die als Kriegstote ein ewiges Ruherecht haben. Mit dem 2011 eingerichteten russischen Büro für Kriegsgräberfürsorge und Gedenkarbeit haben wir unsere Verstorbenen-Daten abgestimmt und so den Nachkommen Gewissheit über den Verbleib ihrer Angehörigen ermöglicht.
Auf so einem Friedhof finden sich also unzählige Geschichten und Schicksale. Welche Begegnungen sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Auf einem Friedhof gibt es nichts, was es nicht gibt! Was macht man zum Beispiel mit einem bei einer Wohnungsauflösung gefundenen Schädel oder mit den Gebeinen von zwei unbekannten Soldaten, die 60 Jahre nach Kriegsende im Bienwald gefunden wurden? Für sie alle habe ich eine Lösung und damit eine Heimstatt auf unserem Friedhof gefunden. Denn jeder Mensch ist ein wertvolles Individuum und so war es auch naheliegend, für Frühgeburten und Schwangerschaftsabbrüche in Zusammenarbeit mit dem Verein „Leere Wiege“ eine eigene Grabstätte anzulegen. Jährliche ökumenische Feiern sowie Teddybären, Windrädchen und Spielzeug auf der Grabanlage zeugen von der elterlichen Trauerarbeit.
Das gibt es sicherlich sehr viele traurige Momente. Wie gehen Sie damit um?
Als Friedhofsverwalter bin ich natürlich täglich mit dem Ende des Lebens konfrontiert. Selbstverständlich geht auch mir mancher Fall nahe, doch gilt in erste Linie, den Angehörigen bei der Erfüllung des letzten Wunsches behilflich zu sein. Da muss man manchmal persönliche Emotionen zurückstellen. Aber es ist schon so: Früher fanden Leben und Tod in der Familiengemeinschaft statt, heute wird das Sterben immer anonymer. Viele Menschen gehen dem Thema Tod aus dem Weg. Die Hinterbliebenen wirken unsicher und verdrängen den Gang zum Friedhof. Dabei ist die Grabpflege ein wichtiger Bestandteil der persönlichen Trauerarbeit.
Für Sie hat der Gang zum Friedhof also auch etwas Heilsames?
Ja, und zwar in mehr als einer Hinsicht. Friedhöfe sind wichtige multifunktionale Orte mit großem Freizeit- und Erholungswert und sie haben gleichzeitig eine hohe ökologische Funktion. Die Friedhöfe sorgen für Frischluft, transportieren Schadstoffe ab und verschaffen insbesondere an heißen Sommertagen lokale Abkühlung. Durch ihre kleinteilige Struktur bieten sie darüber hinaus vielfältige Lebens- und Rückzugsräume für Flora und Fauna. Sie laden ein zu Spaziergängen und Entdeckungsreisen in unsere jüngere Vergangenheit. Die Friedhöfe bilden eine Brücke zwischen den Menschen.
Ein schönes Schlusswort, Herr Blumer. Vielen Dank für das Gespräch!