Die Bürgerinitiative „Landauer bauen Zukunft“ überreichte der Stadtverwaltung eine von ihnen kommentierte Fassung des Wohnraumversorgungskonzeptes. Der Stadtvorstand hat sich in seiner jüngsten Sitzung unter Vorsitz von Oberbürgermeister Thomas Hirsch mit den Anmerkungen beschäftigt. Gemeinsam mit Baudezernent Bürgermeister Dr. Maximilian Ingenthron bekräftigte Hirsch die Notwendigkeit einer weiteren Siedlungsentwicklung in Landau. Beide weisen die Vorwürfe, dass das Konzept substanzielle, inhaltliche oder methodische Fehler beinhaltet, zurück.
Zu einzelnen Punkten, die von der Bürgerinitiative hinterfragt wurden, nimmt der Stadtvorstand wie folgt Stellung:
1. Schwarmstadtbegriff
Es ist unerheblich, ob Landau eine „echte“ oder „unechte“ Schwarmstadt ist. Entscheidend ist, dass nach Landau Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher gesellschaftlicher Herkunft ziehen, sowohl aus dem regionalen wie auch aus dem überregionalen Umfeld. Landau ist eine attraktive, mittelzentrale Stadt und liegt – auch großräumig gesehen – in der Wachstumszone des Oberrheingrabens. Selbst wenn ländliche, periphere Regionen in Rheinland-Pfalz „ausbluten“ sollten, werden aus den Ballungszentren entlang der Rheinschiene auch langfristig Menschen nach Landau ziehen wollen, weil diese Regionen dauerhaft einen hohen Entwicklungs- und damit Preisdruck ausgesetzt sein werden und Landau ein attraktiver Wohnstandort insbesondere für Gründungshaushalte und ältere Menschen aus diesen Bereichen bleiben wird. In fast allen deutschen Städten resultiert das Bevölkerungswachstum aus Wanderungsgewinnen, nicht aus einem natürlichen Geburtenüberschuss.
2. Zusammenhang von bezahlbarem Wohnraum und Ausweisung von neuen Siedlungsflächen
Es entbehrt jeder fachlichen Grundlage zu behaupten, dass Wohnungspreisentwicklung und Wohnungsangebot in einer Stadt in Deutschland nicht im Zusammenhang stehen. Ist ein Angebot knapp und die Nachfrage anhaltend hoch, steigen in der Marktwirtschaft die Preise. Eine noch offene Frage ist, wieviel Wohnraum benötigt wird, um eine preisdämpfende Wirkung zu erzielen und auch über 2030 hinaus keine Leerstände zu produzieren. Um in diesem Zusammenhang sicherzustellen, dass die Stadt Landau auch langfristig gesehen maßvoll wächst, sind die Prognosezahlen mit der tatsächlichen Entwicklung in regelmäßigen Abständen abzugleichen, um zeitnah nachsteuern und damit eine nachhaltige Stadtentwicklung betreiben zu können. Bezahlbarer Wohnraum ist nicht gleich sozialer Wohnungsbau in Form von Geschosswohnungsbau höchster Verdichtung, sondern umfasst auch das kostengünstige Eigenheimsegment. Fehlt es an Flächen für diese Wohnformen, besteht auch der Zusammenhang zwischen der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und der Bereitstellung von Siedlungsflächen.
3. Die Schaffung von Angebot zieht Nachfrage nach sich – siehe Konversion
Diese Feststellung ist grundsätzlich richtig, es ist immer so, dass Angebot und Nachfrage korrelieren, gibt es kein Angebot, bleibt aber immer ein gewisser Anteil an Nachfrage, umgekehrt wirkt ein hohes Angebot auch immer so, dass die Nachfrage steigt. Die Berücksichtigung dieser Zusammenhänge und ihre Projektion in die Zukunft sind methodisch korrekt. Im Wettbewerb mit anderen Städten ist es das Ziel der Stadt Landau, durch adäquate Angebote auf dem Wohnungsmarkt um Menschen von außen zu werben oder Menschen an die Stadt zu binden, damit sie Teil des städtischen Gemeinwesens werden und dauerhaft zu einer altersdurchmischten Stadtgesellschaft beitragen. Gerade mit Blick auf den demografischen Wandel werden Städte, die Wohnangebote für junge Menschen und Familien bzw. junge Erwerbstätige ingesamt schaffen, langfristig deutlich profitieren und die Herausforderungen einer alternden Gesellschaft besser bewältigen können. Außerdem wird dem Fachkräftemangel vorgebeugt, was für einen funktionierenden Wirtschaftsstandort immens wichtig ist.
4. Unabhängigkeit lokaler Marktakteure und der Stadtverwaltung
Die Stadtverwaltung ist unabhängig und dem Gesamtwohl der Stadt verpflichtet. Im Gutachten wird mehrfach benannt, dass mit Marktexperten (Wohnungsunternehmen sowie Immobilienmaklern) statistische Zahlen, Bedarfe an unterschiedlichen Wohnformen und Analyseergebnisse rückgekoppelt wurden, insbesondere bei der Beurteilung von Bedarfen und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt anhand der Auswertung von Internetplattformen. Dies ist Teil einer sorgfältigen Analyse und auch eine anerkannte Methodik, um onlinebasierte statistische Erhebungen mit dem tatsächlichen Marktgeschehen rückzukoppeln. Die beteiligten Akteure haben den Wohnungsmarkt aus ihrer Sicht bewertet und diese Einschätzung floss unter Berücksichtigung aller vorliegenden Informationen in das Gutachten ein – sie ist aber nicht die rechnerische Grundlage für ermittelte Bedarfszahlen. Ebenso müssen die Gutachter auf das Know-How der Stadtverwaltung zurückgreifen, insbesondere auf statistische Zahlen, die dort erhoben werden. Diese Quellen dienen dazu, fachlich fundierte Aussagen über den Wohnungsmarkt treffen zu können – eine übliche und allgemeine anerkannte Vorgehensweise bei der Erstellung von Gutachten und Prognosen. Auch die „amtlichen Prognosen“ bspw. vom statistischen Landesamt müssen mit Annahmen und auch unsicheren Determinanten arbeiten, wenn sie in die Zukunft blicken. Deshalb ist es wichtig, Gutachten fortzuschreiben und die tatsächliche Entwicklung immer mit den angenommenen Zahlen abzugleichen. Umgekehrt können die Unwägbarkeiten der Zukunft nicht dazu führen, auf Prognosen zu verzichten, weil dann jegliche Art sinnvoller und notwendiger Planung unmöglich wird.
5. Das Flüchtlingsthema ist nicht mehr von Bedeutung für die Wohnungspolitik, Unterkünfte stünden leer
Auch wenn sich die Zahl der Flüchtlinge in der Stadt Landau in den letzten Monaten stabilisiert hat, geben die zuständigen Landes- und Bundesstellen mit Blick auf große Flüchtlingsströme u.a. in Afrika für die nächsten Monate und Jahre keinerlei Entwarnung, was die Anzahl der Flüchtlinge angeht. In Landau stehen keine Wohnungen für Flüchtlinge leer. Leer steht derzeit die als Notunterkunft (=Reservefläche) hergerichtete Rundsporthalle. Sie stellt aber kein Wohnungsangebot für Flüchtlinge dar.
6. Die Stadt hat in den letzten 10 Jahren (2005 bis 2014) keinen nennenswerten Einwohnerzuwachs gehabt, die steigenden Zahlen sind lediglich aus der Einführung der Zweitwohnungssteuer entstanden.
In den Jahren 2006 und 2010 ist im Zusammenhang mit der Einführung der Zweitwohnungssteuer die Einwohnerzahl (Hauptwohnsitze) Landaus um rund 1.700 Personen gestiegen. Die Einwohnerzahl insgesamt (Hauptwohnsitze) ist aber um über 3.000 Einwohner gestiegen und im Jahr 2015 nochmals um weitere 1.000 Einwohner. Auch ohne Zweitwohnungssteuereffekt entspricht dies mehr als 5% Wachstum, was deutlich über den Prognosen des Landesamtes liegt. Dass insbesondere die Kernstadt gewachsen ist, hängt damit zusammen, dass dort am meisten Wohnraum entstanden ist. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die in Auftrag gegebene Bevölkerungsprognose von Seiten der Stadt erforderlich war, weil die Bevölkerungsprognosen des statistischen Landesamtes für Landau in vielen Jahren unter dem tatsächlich erreichten Stand lagen und somit die Landesprognosen deutlich übertroffen wurden. Dieser Landauer Besonderheit findet durch die Annahme und Fortschreibung der in Landau real erzielten Werte ihre Entsprechung und stellt im Ergebnis die Bevölkerungsprognose auf eine verlässlichere und ortsspezifischere (kleinräumigere) Datengrundlage.
7. Die „eigene Bevölkerung“ und auch die prognostizierte Bevölkerung insgesamt braucht kein neues Baugebiet
Rechnerisch ist diese Aussage (fast) richtig (siehe Punkt 13 und S. 90 des Wohnraumversorgungskonzeptes). Sie hat nur nichts mit der Realität zu tun. Aufgrund der Attraktivität Landaus als Wohn- und Arbeitsstandort zieht es die Menschen aus der Region und tlw. auch aus dem weiteren Umland nach Landau. Sie werden in einem Land mit freier Wohnortwahl Wohnraum beanspruchen. Von daher braucht auch die Landauer Bevölkerung neues Bauland, um sich am Markt angemessen mit Wohnraum versorgen zu können, bspw. im Zuge von Familiengründungen.
8. Studenten werden auch zukünftig nicht in Landau bleiben, weil sie in Landau keine Arbeitsplätze finden
Ziel der Landauer Stadtentwicklung ist es, auch und gerade wegen der demografischen Veränderungen im Wettbewerb mit anderen Regionen und Städten junge Menschen an die Stadt Landau zu binden. Seit Jahren steigen die Beschäftigtenzahlen in der Stadt, als Schul-, Bildungs und Universitätsstadt gibt es überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze auch im Bildungsbereich, über die positive gewerbliche Entwicklung in der Stadt gibt es einen hohen Fachkräftebedarf auch außerhalb des universitären Bereichs. Die deutlich steigenden Einpendlerzahlen und der Einpendlerüberschuss sind ein Indiz dafür, dass Landau als Wirtschaftsstandort eine hohe Anziehungskraft hat und damit für Arbeitnehmer ein attraktiver Wohnstandort sein kann – wenn es entsprechende Angebote gibt. Die Schaffung adäquater Wohnungsangebote für genau dieses Bevölkerungsklientel muss deshalb oberste Priorität haben.
9. Die Bestandssanierung ist wichtiger als der Neubau
Beides ist in einer wachsenden Stadt gleich wichtig, denn mit einer Bestandssanierung alleine sind die Bedarfe keinsefalls zu decken. Auch wenn die Ermittlung der Wohnungsbauzielzahlen ein wichtiger Aspekt im Wohnraumversorgungskonzept ist, sind diese nur eines von sechs Handlungsfeldern im Konzept. Dies zeigt auch, dass der Fokus des Konzeptes keineswegs auf dem Neubau von Wohnungen liegt, auch wenn dieser Aspekt am meisten diskutiert wird. Das Sanierungsgebiet in Nußdorf, das ausschließlich die Bestandspflege und Bestandsentwicklung im Blick hat, wird sehr gut angenommen. Im Rahmen des Modellprojektes „Kommune der Zukunft“ wird ein Arbeitsschwerpunkt auf die Innentwicklung der Stadtdörfer gelegt. Mit diesen Maßnahmen wird deutlich, dass Wohnungspolitik immer beides im Blick haben muss: die Bestandspflege wie den Neubau.
10. In Landau gibt es derzeit 1265 Remanenzadressen, d.h. in absehbarer Zeit wird dort Wohnraum für mindestens 2.500 Personen frei.
In Landau gibt es nicht 1265, sondern aktuell rund 800 „Remanenzadressen“. Für die Neubaubedarfsermittlung ist dies letztlich aber unerheblich, weil bei der Berechnung davon ausgegangen wird, dass der Gebäudebestand in Landau auch zukünftig vollständig bewohnt wird. Wenn diese Gebäude leer fallen und nicht nachgenutzt würden, egal ob 800 oder 1265, wäre der Neubaubedarf rechnerisch entsprechend nach oben zu korrigieren (siehe Seite 88 des Wohnraumversorgungskonzeptes).
11. Beim Wohnungsneubau sind Lagen zu favorisieren, in denen eine infrastrukturelle Grundausstattung in fußläufiger Entfernung besteht – damit fällt der Voruntersuchungsbereich am südwestlichen Stadtrand aus dem Raster.
Der Untersuchungsbereich knüpft direkt an bestehende Siedlungsstrukturen, die infrastrukturell ausgestattet sind – Kindergärten, Schulen, Apotheke, Nahversorgung usw. Damit hat der Untersuchungsbereich einen großen Vorzug gegenüber vielen Potenzialflächen in den Stadtdörfern. Evt. erforderliche Ergänzungen der Infrastruktur sind im Rahmen der Entwicklung zu prüfen.
12. Bei der Bevölkerungsprognose wird die „obere Variante“ zugrunde gelegt, die letztlich nur als Modellrechung dienen sollte.
Die Bevölkerungsprognose basiert nicht auf der „oberen“, sondern auf der „mittleren“ Variante. Mit einem Bevölkerungswachstum um gut 5% entspricht diese – allerdings für einen fünf Jahre längeren Zeitraum – in etwa dem relativen Wachstum der letzten 10 Jahre.
13. Die prognostizierte zusätzliche Bevölkerung könnte rechnerisch in den gut 1250 Remanenzadressen untergebracht werden, Wohnungsneubau wäre damit überflüssig.
Abgesehen davon, dass es in Landau aktuell lediglich 800 Remanenzadressen gibt, übersieht diese Modellrechnung, dass aufgrund wachsenden Wohlstandes, geänderter Lebensstile und alternder Bevölkerung die Inanspruchnahme von Wohnraum pro Person steigen wird und die Haushaltsgröße im Jahr 2030 von 2,0 auf 1,87 Personen pro Haushalt / Wohnung sinken wird. Damit entsteht bereits aus der bestehenden Bevölkerung heraus ein zusätzlicher Wohnflächenbedarf. In Zahlen ausgedrückt heißt das für Landau einen Bedarf von bis zu 1.500 Wohnungen bis 2030, der allein aus der heute in Landau lebenden Bevölkerung rechnerisch generiert wird. Die übrigen rund 1.000 Wohnungen sind demnach für die prognostizierten zusätzlichen rund 2.300 Einwohner erforderlich. Genau deshalb erhöht sich der Wohnraumbedarf auch um knapp 10 Prozent, wohingegen ein Bevölkerungszuwachs von lediglich gut 5% angenommen wird.